Schwarzarbeit bei Amazon-Lieferanten

ORF Bericht:

Schwarzarbeit bei Amazon-Lieferanten

Nach einer Razzia im Februar 2020 im Amazon-Verteilzentrum in Großebersdorf (Bezirk Mistelbach) wurden nun die Ermittlungsergebnisse veröffentlicht. Die Finanzpolizei stellte bei Subunternehmen fast 1.000 Rechtsverstöße fest, etwa Schwarzarbeit.

Nach der Razzia der Finanzpolizei im Februar 2020 gibt es 987 Beanstandungen, teilte das Finanzministerium am Sonntag mit. Schon an Ort und Stelle waren Verstöße gegen das Arbeitsrecht festgestellt worden, etwa gegen das Lohn- und Sozialdumpinggesetz und das Ausländerbeschäftigungsgesetz. Später wurden sichergestellte Unterlagen wie Fahrerlisten und Auftragsbücher überprüft.

„Ich kann mich an keine Kontrolle erinnern, bei der wir auf derartig viele Gesetzesübertretungen gestoßen sind“, sagte der Leiter der Finanzpolizei, Wilfried Lehner. „Das ist einmalig. Bei einem korrekten Beschäftigungsverhältnis geht sich die Kalkulation fast nicht aus“, fasst der Leiter der Finanzpolizei im Finanzministerium, Wilfried Lehner, zusammen.

Blümel: „Verantwortung endet nicht an der Laderampe“

„Klar ist, dass die unternehmerische Verantwortung nicht bei der Laderampe endet, das betrifft auch die korrekte Geschäftstätigkeit von Partnern und Lieferanten“, sagte Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP). „Wir gehen vehement gegen systemische Versuche vor, die darauf abzielen, den fairen Wettbewerb auszuhebeln.“ Ein Kontrolldruck solle zu einem Umdenken führen und den heimischen Handel schützen.

„Offenbar hat sich im Bereich der privaten Paketzustellung ein System der Umgehung arbeits- und sozialrechtlicher Bestimmungen entwickelt“, kritisierte GPA-Vorsitzende Barbara Teiber in einem schriftlichen Statement gegenüber der APA. „So sehr die aktuelle behördliche Prüfung zu begrüßen ist, geht es nun darum, diese Machenschaften dauerhaft zu beenden. Dabei ist der Konzern Amazon genauso in die Pflicht zu nehmen wie die Subunternehmen und die staatlichen Behörden.“

Es gehe nicht, die Verantwortung auf die Arbeitnehmer abzuwälzen. „Für die Einhaltung der rechtlichen Bestimmungen sind die Arbeitgeber, allen voran Amazon, selbst verantwortlich. Letztendlich ermöglicht dieses gesetzwidrige Dumpingsystem einen Wettbewerbsvorteil im Konkurrenzkampf.“ Den Vorteil habe Amazon auch auf Ebene des Steuersystems.

Amazon selbst wird rein rechtlich nichts vorgeworfen. Der Onlinehändler wurde nach der Razzia im Großebersdorf nicht angezeigt, so das Finanzministerium.

Kontrollierte Firmen stellen Sendungen für Amazon zu

Die kontrollierten Firmen stellen für Amazon im Großraum Wien Sendungen zu. 60 Finanzpolizisten kontrollierten 133 Amazon-Dienstleister – darunter 96 Subfirmen und weitere 24 Sub-Subfirmen – und 2.416 Dienstnehmer. Direkte Vertragspartner unterhält Amazon Österreich nur 13. Das ergab „die Entwirrung des Geflechts aus Unternehmen, Sub- und weiterer Sub-Sub-Unternehmen bisher“, so das Finanzministerium.

Amazon Verteilzentrum in GroßebersdorfAPA/Hans Klaus Techt
Das Amazon-Verteilzentrum in Großebersdorf: Der Onlinehändler wurde nach der Razzia nicht angezeigt, so das Finanzministerium

Insgesamt wurden 76.605 Datensätze ausgewertet. 1.188 der kontrollierten Personen waren EU-Bürgerinnen und -Bürger, 1.228 Drittstaatsangehörige. 687 waren teilzeitbeschäftigt, 237 als geringfügig beschäftigt gemeldet.

Strafen in der Höhe von 770.000 Euro beantragt

Konkret stellte die Finanzpolizei 468 Übertretungen nach dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz, 144 Übertretungen nach dem Arbeitslosenversicherungsgesetz, zwölf Übertretungen nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz, drei Übertretungen nach dem Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetz sowie eine Übertretung der Gewerbeordnung fest. Die Behörde beantragte Strafen in der Höhe von fast 770.000 Euro, rund 325.000 Euro Forderungspfändungen und stellte gut 88.000 Euro sicher.

Darüber hinaus wurde in 96 Fällen Sozialleistungsbetrug zur Anzeige gebracht. Weiters ergingen 195 Kontrollmeldungen ans Arbeitsmarktservice (AMS), 68 Kontrollmeldungen an die Österreichische Gesundheitskasse (ÖGK) sowie 18 Anregungen auf Durchführung von Betriebsprüfungen.

Von den insgesamt 350 im Umfeld der Amazon-Dienstleister überprüften Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten wurde bei 93 Personen eine Überschneidung aus dem Leistungsbezug der Grundversorgung und ihrer Tätigkeit im Amazon-Umfeld festgestellt. Diese 93 Personen wurden als Verdachtsfälle dem Bundesministerium für Inneres (BMI) gemeldet. Vom AMS wurden für Wien 163.773 Euro und für Niederösterreich 21.989 Euro an zu Unrecht bezogenen Transferleistungen (Arbeitslosengeld und Notstandshilfe) rückgemeldet.

Teiber: „Das System Amazon muss ein Ende haben“

„Klein strukturierte Sub- und Sub-Sub-Unternehmen ermöglichen Onlinehändlern nicht nur Flexibilität in der Bewältigung steigender Sendungsvolumina, sondern stellen deren Auftraggeber auch vor Herausforderungen hinsichtlich der Vereinbarung unternehmerischer Verantwortung und wirtschaftlicher Interessen. Aufgrund des großen Drucks kommt es in diesem Bereich immer wieder zu Verfehlungen“, erklärte Blümel weiters. Teiber: „Das System Amazon muss endlich ein Ende haben.“

red, noe.ORF.at/Agenturen